Die Art des Verhandelns, das wie bestimmt die Funktionalität des Diskurses, unabhängig von der vertretenen Sache, ihrer Richtigkeit und ihrem Wahrheitsgehalt: Dysfunktional wird der Diskurs dort, wo für die richtige Sache mit den falschen Mitteln, und mit den falschen Mitteln für die falsche Sache gestritten wird.
Die Suche nach Verständnis – ein Ideal
Um Probleme lösen zu können oder Zusammenhänge zu verstehen in denen sie auftreten, benötigen wir die Hilfe anderer, weil die eigene Konstruktion von Welt unzulänglich und begrenzt ist. Ein Diskurs, eine Diskussion oder ein Gespräch sind Versuche einer Konvergenz zweier oder mehreren Perspektiven, die unterschiedlich starke Überschneidungen aufweisen. Dieses Unterfangen ist weder selbstlos, noch egoistisch, denn der Austausch von Argumenten erweitert die Standpunkte aller Beteiligten – jeder von ihnen stellt Wissen zur Verfügung, macht seine Position angreifbar, und erhält dafür etwas zurück.
Die Kombination von Angreifbarkeit mit der Erwartung von Nutzen stellt – abseits anderer Faktoren wie investierter Zeit -, ein fragiles Gebilde dar, das ohne Vertrauen in die (potenziellen) Teilnehmer des Diskurses nicht denkbar ist. Im Regelfall schießt man Vertrauen vor, beobachtet die Entwicklung der Auseinandersetzung, und richtet, ergänzt durch zuvor gemachte Erfahrungen, sein diskursives Verhalten daran aus. Dort wo man den anderen nicht akzeptiert (ihm also nicht vertraut), und/oder nicht an einer Verständnissuche interessiert ist, wird es keinen Diskurs geben. Die sachliche Grundlage ist mit dem kommunikativen Reglement verwoben, und beide entwickeln sich miteinander.
Aber ein zu enges Korsett kostet diskursive Substanz: Manche Gespräche nähern sich vor zu viel höflicher Rücksichtnahme nicht dem Punkt, den sie eigentlich zum Ziel haben. Das Reglement bestimmt daher auch was (sachlich) überhaupt gesagt werden kann, und was nicht. Es besteht ein Reibungspunkt zwischen dem wie und dem was, der Sache und der Form, aber auch im Sinne einer Fortführung des Diskurses.
Dieses idealisierte, diskursive Skelett wird in der Realität, und besonders wenn es sich im Licht der Öffentlichkeit befindet, vielfach Abwandlungen erfahren, schon deshalb, weil nicht alle Teilnehmer an der „Verwirklichung des Ideals“, an Verständigung interessiert sind, sondern andere Motive verfolgen. Dennoch: Sein Kern („die gemeinsame Suche“) und seine Fragilität bestimmen seine Möglichkeiten und Grenzen, und bleiben Grundlage seiner Funktionalität.
„Demokratietheoretischer“ Ausgangspunkt
In Demokratien hat eine bestimmte Gruppe von Staatsbürgern (die Wahlberechtigten) ein Stimmrecht, das ihnen ermöglicht politische Vertreter auf Zeit zu bestimmen. In Österreich sind das 76% der Bevölkerung bzw. 85% der Staatsangehörigen. Jeder Bürger vergibt seine Stimme nach Überlegung und Beurteilung der politischen Arbeit. Dafür muss er über die Legislaturperiode das politische Geschehen beobachten und sich ein Urteil bilden können; zudem liegt Demokratien die Idee zu Grunde, dass Problemlösungen von allgemeinem Belang auch von allen diskutiert (oder zumindest transparent gemacht) werden sollten, und zwar nicht bloß der Etikette wegen, sondern weil konkurrierende Vorschläge auf diese Weise verbessert und ausgeschieden werden können – man hat das auch als einen Wettbewerb der Ideen bezeichnet. Außerdem soll die Möglichkeit bestehen, Meinungen, Sachverhalte, Missstände, usw. öffentlich machen zu können, d.h. in ein (fiktives) öffentliches Bewusstsein zu rücken. Die Ideen und die Öffentlichmachung wiederum sind Korrekturfaktoren oder Ausgangspunkt für Handlungen und (politisches) Engagement. Wesentlich geprägt und getragen wird der öffentliche Diskurs durch die Medien und der sich in ihnen äußernden Personen.
Eine entscheidende Aufgabe von Demokratie ist es Interessen nachvollziehbar zu machen, sie abzuwägen, zu verhandeln und in Orientierung an ein „Gemeinwohl“ (sozial) auszugleichen. Interessen, die die Allgemeinheit berühren (betreffen), zum eigenen Vorteil (oder dem einer kleinen Gruppe) durchzusetzen, ohne sie öffentlich kenntlich gemacht zu haben, weil man dazu Mittel, Macht und Möglichkeiten besitzt, stellt eine Missachtung von Diskurs und Demokratie dar – dasselbe gilt auch für das Übergehen von Interessen, die Minderheiten betreffen.
Das diskursive Ideal zerschellt an der Realität: Allzu oft wird bar jeglicher sachlichen Grundlage gestritten, und viele Bürger nehmen an der öffentlichen Diskussion erst gar nicht teil. Davon bleiben die theoretischen Aufgaben des öffentlichen Diskurses unbenommen; es zeigt sich, dass seine Funktionalität von seinen Teilnehmern reproduziert wird, und dass er unterlaufen und ausgenutzt werden kann: Er nimmt Schaden und verkümmert.
Das „Problem“ Öffentlichkeit
Mit dem Begriff des öffentlichen Diskurses ist die Abstraktion einer Vielzahl von Diskussionen gemeint, die sich von den privaten, und damit nicht einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemachten unterscheiden, wobei die öffentlichen selbstverständlich mit den privaten in Wechselwirkung stehen.
Eine Diskussion unter zwei Freunden, der eine überzeugter Sozialist, der andere – ebenso überzeugter – Liberaler, über die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, kann relativ unbefangen von statten gehen, die beiden sind Freunde und werden sich deswegen nicht überwerfen – sie kennen einander lange und gut. Ein allfälliger Nachsatz über die „liberalen Idioten“ würde ohne Wirkung verhallen: Jeder der beiden weiß wie es gemeint war.
Hier zeigen sich – das gilt abgeschwächt auch für Diskussionen unter Fremden oder nur mäßig Bekannten -, deutliche Unterschiede zwischen dem privaten und dem öffentlichen Diskurs. Letzterer beginnt, wo etwas über ein öffentliches Medium, oder noch allgemeiner, der Öffentlichkeit selbst, bekannt wird. Öffentlichkeit meint, dass potenziell viele (theoretisch alle) Menschen davon in kurzer Zeit erfahren, oder die Informationsquelle zumindest aufrufen könnten (Medien des Öffentlichen Diskurses sind z.B. Zeitungen, Radio, Fernsehen, Internet, Bücher; manche dieser Medien ermöglichen private Diskursräume, wie das Internet und sind mehr oder weniger stark in eine Richtung orientiert, d.h. sie lösen bevorzugt private Diskurse aus [Bücher, etwa] oder erlauben einen sofortigen Eintritt in den öffentlichen Diskurs [Kommentarmöglichkeit im Internet unter Zeitungsartikeln oder Blogeinträgen]; Zeitungen in Papierform stellen einen Mittelweg dar.)
Die Teilnehmer eines privaten Diskurses sind deutlich umrissen, im Regelfall handelt es sich um die Anwesenden. Öffentliche Diskussionen zeichnen sich durch nicht anwesende und unbestimmte Diskussionspartner aus, d.h. man kann nicht (oder nur eingeschränkt) vorhersagen, wer einen Zeitungsartikel lesen, und wie jemand darauf reagieren wird. Der private Diskurs ist bewusst beschränkt, der öffentlich bewusst unbeschränkt – eine elementar wichtige Tatsache, der aber noch eine Nuance hinzuzufügen ist: Der öffentliche Diskurs, soweit er das demokratische Bestreben, eine Art „argumentativen Wettstreit von Problemlösungsvorschlägen“ ernst nimmt, darf auch nicht beschränkt sein, da Demokratie alle (Wahlberechtigten) angeht – sie sind potenziell Teilnehmende, Angesprochene und Äußernde. Auch dadurch wird der öffentliche Diskurs zum fragilen Gebilde: Es muss die Quadratur des Kreises vollzogen werden, und sich alle auf ein bestimmtes, enges, und unausgesprochenes Regelwerk hin festlegen. Ein gemeinsamer Nenner für alle, die hinsichtlich Bildung und Interessen, sozialem Kontext und persönlicher Empfindlichkeit, einen weiten Bereich umfassen. Der private Diskurs unter Freunden ist robust und flexibel, der mit Fremden oder Bekannten schon labiler, und der öffentliche am empfindlichsten.
Jemand der sich diskursiv ideal verhalten will, wird Vorsicht walten lassen, Missverständnisse zu vermeiden versuchen, sich sachlich äußern, aber auf seinen Argumenten und der Herausforderung seines Standpunktes beharren, und sich auf eine Entkräftung durch Argumente berufen. Er wird auch darum bemüht sein, wo das nötig ist, Missverständnisse und Fehler im Nachhinein zu korrigieren. Im Gegenzug erwartet er dasselbe von allen anderen Teilnehmern.
Es wäre naiv zu glauben, dass damit eine realistische Einschätzung gegeben wäre. Ganz im Gegenteil. In der Öffentlichkeit zu kommunizieren, bedeutet auch andere Strategien, als im privaten Rahmen anzuwenden (ab und an vielleicht anwenden zu müssen). Diese Strategien sind dem diskursiven Ideal entgegengesetzt, sie missbrauchen oder manipulieren es, und bedeuten zumeist eine Schwächung, Verunstaltung, und zu Letzt eine Unkenntlichmachung des Ideals. Die Teilnehmer selbst werden zu potenziell Getäuschten, und die öffentlichen Äußerungen zu Täuschungsversuchen.
Die Gründe den Diskurs umgehen zu wollen, können vielfältig sein: Ein Politiker will eine bestimmte („seine“) Klientel rekrutieren, und/oder ihre Gefühlslage benutzen (Emotionen rekrutieren Gefolgschaft oft wirksamer als Argumente oder erzeugen zumindest Aufmerksamkeit); ein Manager will Vorteile für sich und sein Unternehmen herausstellen, oder Interessensverbände für die jeweils von ihnen vertretene Gruppe. Es ist durchaus legitim Interessen und Vorteile zu vertreten und zu suchen, solange es dem diskursiven Rahmen genügt, sie also öffentlich und transparent diskutiert werden. Ist das nicht mehr der Fall, wird z.B. eine Position wider besseren Wissens als richtig verkauft, tritt häufig ein sich selbst verstärkender Kreislauf in Gang, der das öffentliche Gespräch, die Basis des Ausgleichs, erschwert oder verunmöglicht. Das, weil nun andere, die zuvor innerhalb des Diskurses standen, beginnen, Strategien anzuwenden, die außerhalb angesiedelt sind.
Ein genauerer Blick: Leistungen und Kennzeichen des Diskurses
Argumente schaffen Nachvollziehbarkeit, ermöglichen Kritik, Austausch und Vergleich. Da jede argumentative Kette auf bestimmten erkenntnistheoretischen Annahmen ruht, sind diese die fundamentalsten Punkte, die durch eine Diskussion aufgedeckt werden können, und an denen sie endet: Wir stehen vor den Konstruktionspunkten unserer Welt. Zumeist wird es in einer „normalen“ politischen Diskussion aber nicht so weit kommen.
Man diskutiert, weil man darauf vertraut, dass sich etwas ändern oder verbessern wird, etwas das sich aus gemeinsamer Tätigkeit ergibt und in gemeinsame Handlungen münden kann. Dieses Vertrauen ist eminent wichtig, an ihm hängt u.a. das Gelingen des Diskurses. Eng damit verbunden ist Ehrlichkeit – sie erhält und bestätigt den gegebenen Vetrauensvorschuss, und bedeutet den Diskurs jenseits alleinig egoistischer Motive zu wollen, und ständig Transparenz zu gewährleisten: Man sagt was man denkt, ohne doppelten Boden und Hintergedanken.
Wahrheit als stetig zu verbessernde, nie vollkommene oder zutreffende Konstruktionen der Welt oder ihrer Teile, ist eine Notwendigkeit (wiederum als Ideal), wenn unsere Diskussionen sinnvoll sein sollen, d.h. jenseits eines beliebigen Tausches angesiedelt. Dies wiederum legt Vernunft als Fähigkeit zur Einsicht (Akzeptanz) von Irrtumsmöglichkeit oder Widerspruchsfreiheit nahe – es wäre kaum möglich ein Gespräch mit jemandem führen zu wollen, wenn diese Annahmen keine Gültigkeit hätten.
Irrtumsmöglichkeit gilt immer auch für den eigenen Standpunkt, als Selbsteinschätzung und Voraussetzung für die Funktionalität des Diskurses, was bedeutet die eigene Position reflexiv zu machen, sie in Frage stellen oder stellen zu lassen, und Zweifeln statt zu geben. Warum sollte man mit jemandem diskutieren der nicht an Kritik interessiert ist oder sich gegen diese beständig zu immunisieren versucht? Einseitigkeit ist konstruktiver Entwicklung abträglich, da sie die fundamentalen, für beide Seiten gleich gültigen Annahmen verletzt.
Grundsätzlich gilt: Wo rational Kritik geübt werden kann, braucht es keinen anderen Weg (es sei denn jemand kann von feindlichem, physisch oder psychisch schädigendem oder die öffentliche Ordnung bedrohendem Verhalten nicht abgehalten werden). Dort wo ein Argument steht, möge ein Argument folgen. Emotionen, Ärgernis und Betroffenheit sind nicht aus dem Diskurs zu verbannen, aber sie sollten immer gemeinsam mit Argumenten gepaart auftreten – dann erst wird erkennbar, dass man den diskursiven Raum zu nutzen gedenkt. Hielten wir diese argumentative Basis für unzutreffend oder nicht notwendig, untergrüben wir Gleichzeitig das Fundament unserer Demokratie, die ja wesentlich auf diskursiver (und damit argumentativer) Auseinandersetzung beruht.
Korrektur- und Selbstkorrektur im Diskurs
Man kann dem idealen den populistischen Diskurs gegenüberstellen, und damit „Diskurse“ und Personen kennzeichnen, die sich unlauterer „Argumente“ und Strategien bedienen. Aber: Der Vorwurf des Populismus ist, falls er unbegründet bleibt, selbst populistisch, und kaum jemand wendet immer dieselben diskursiven Muster „rein“ an, vielmehr sind Mischungen anzutreffen, die mehr in die eine oder andere Richtung tendieren. Daher ist es am besten argumentativ kenntlich zu machen, wann jemand den diskursiven Raum verlässt. Dabei entgeht man zudem der Verlockung selbst populistischer Muster zu verfallen, die weder durch die Sache, noch durch die diskursive Strategie des anderen gerechtfertigt sind.
Diese diskursive Selbstkorrektur kann von jedem Teilnehmer gesetzt werden, und sie ist – als Fähigkeit des Diskurses seinen Missbrauch aufzudecken -, ein Zeichen für seine Lebendigkeit. Der öffentlich Diskurs ist, wenn seine Grundprinzipien beachtet werden, fähig sich selbst zu Regeln zu geben oder diese zu gestalten, es ist dann (theoretisch) nicht notwendig von außen Regeln an ihn heranzutragen, zumal ihn zu starke Regelmentierung erstarren lässt.
Reale öffentlich Diskurse brauchen Schutzmaßnahmen, die jenseits der Selbstkorrektur, und damit jenseits des Diskurses selbst angesiedelt sind: Ein gesetzlicher Rahmen und Gerichte, die diesen auslegen und nach ihm urteilen. Der öffentliche Diskurs ist somit immer ein abhängiger Diskurs, er benötigt den Schutz anderer Instanzen, und muss gegen seine Feinde verteidigt werden. Diesen (institutionellen) Rahmen haben sich die Diskursteilnehmer selbst gegeben und er ist von ihnen (weitgehend) akzeptiert. Notwendig ist das, weil selbst Argument und Kritik niemanden von bösen, feindlichen oder schädigenden Absichten abhalten werden, die sich gegen die Diskursteilnehmer (und damit die Bürger oder bestimmte Gruppen) richten. Deswegen muss gegen Verhetzung, Verleumdung, und Demagogie, die u.a. auf wissentlich unwahren Behauptungen beruhen, vorgegangen werden.
Das freie Wort und seine Bedeutung für den öffentlichen Diskurs
Möglichst Vielen die Teilnahme am Diskurs zu ermöglichen, impliziert auch mit Meinungen konfrontiert zu werden, die auf tönernen Füßen daherkommen – die öffentlichen Belange sind zahlreich, und man wird nicht immer einen gut abgesicherten Standpunkt vertreten können. Solange diese Meinungen aber verhandelbar bleiben, stellt dies noch kein Problem dar. Der Standpunkt der freien Meinungsäußerung muss – schon alleine um die Teilnahme am öffentlichen Diskurs zu gewährleisten -, als hohes, und nur im Ausnahmefall einzuschränkendes Gut aufgefasst werden. Dort wo das Individuum die Freiheit besitzt sich äußern zu können, ist es ihm möglich Missstände jedweder Art zur Sprache zu bringen, und gestaltend zu wirken. Meinungsfreiheit einzuschränken bedeutet Herrschaft über Andere auszuüben, und eben diese Gestaltungsmöglichkeit (auch des eigenen Lebens) einzuschränken. Daraus folgt, dass dafür gewichtige Gründe vorliegen müssen.
Freiheit bedeutet Bezüglichkeit zum Nichtselbst, zum Anderen; sie kann daher nicht Regel- oder Rücksichtslosigkeit meinen, und geht einher mit Verantwortung: Wer das Recht besitzt seine Meinung zu äußern, hat auch die Folgen seiner Äußerungen zu tragen. Wie aber entscheidet man, ob eine Äußerung tolerabel ist oder nicht? Als generelle Leitlinie gilt das Argument: Dort wo argumentativ widersprochen werden kann, weil sich der Eröffnende kritikfähig äußert, ist ihm ebenso und nicht anders zu begegnen.
Aus der oben festgestellten, schwer einzuschätzbaren Empfindlichkeit der Diskursteilnehmer, und der Unmöglichkeit alle Adressaten zu kennen, folgt, dass man seine Worte mit Bedacht wählt. Als Richtlinie kann das, was man gemeinhin als Höflichkeit kennt, in einem etwas erweiterten Sinn gelten. Diese Höflichkeit sollte aber nicht verhindern, dass Missstände zur Sprache ge-, und eigene Anliegen vorgebracht werden, auch wenn diese nicht gerne gehört werden, oder unangenehm sind – oft erweisen sich gerade sie als bedeutsam. Ein schmaler Grat, aber im Fall eines Falles, besteht immer die Möglichkeit seine Äußerungen zu erläutern und Missverständnisse zu klären. Auf Uneindeutiges mit emotionaler Vorwurfsrhetorik zu reagieren, wäre kontraproduktiv – sie zerstört den Diskurs und seine Fähigkeit zur Selbstkorrektur.
Aus dem Diskurs ausgeschlossen?
Schließen rigide vorgetragenen Bedingungen, wie Rationalität, Argument und Kritik, Menschen aus, die anders sozialisiert sind, oder – aus welchen Gründen auch immer – sich nicht an dem Diskurs beteiligen können? Wird über Leben und Glück von Menschen bestimmt, aber diese nicht dazu befragt? Das ist wohl so, und bedeutet, dass die oben angesprochene Quadratur des Kreises nur unvollständig gelingt.
Dagegen kann man die Bringschuld jedes Bürgers geltend machen, seine (angenommene) Begabung zur Vernunft, und, dass Kommunikation und Verhandlung transparent nicht anders möglich sind, als auf einer rationalen Basis. Reicht das als Rechtfertigung und Entschuldigung, gegenüber der Ausübung von „Herrschaft“? Eine Konsequenz mag sein, das Verstehen immer vor dem Urteilen anzusiedeln.
* * *
Falls es Zeit und Interesse (der Leser) an der Thematik zulassen, möchte ich noch einige konkrete Beispiele aus dem öffentlichen Diskurs folgen lassen, die (neben dieser, von mir nicht weiter verfolgten Diskussion) Grund und Ursache waren, sich mit der Funktion, der Leistungsfähigkeit und den Schutzmöglichkeiten des öffentlichen Diskurses auseinander zu setzen. Ein am 23. Oktober im „Standard“ erschienener Artikel artikuliert (auch von mir geteilte) Bedenken hinsichtlich des Zustandes des öffentlichen Diskurses in Österreich. Und zu guter Letzt: Wie man den Begriff „Ideal“ definieren kann.
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Schöner Essay. Dennoch bliebe einiges anzumerken: Einsereits wird die Höflichkeit im Diskurs als eine Art Hemmnis beschreiben, dann – am Ende – als absolute Notwendigkeit. Und beides stimmt ja, was die Sache nicht einfacher macht.
Interessant die Aussage, der Bürger „muss“ um seine Stimme abzugeben, die einschlägigen Informationen besorgen. Leider (das sage ich) muss er es nicht. Seine Legitimation ist voraussetzungslos.
Ausgrenzungen aus den Diskurs geschehen streng genommen sehr schwer. Wer nicht an ihm (den Diskurs) teilnimmt, macht dies (in der Regel) in einer autonomen Entscheidung (mag sie auch noch so verzweifelt begründet sein). Die Möglichkeit der Teilnahme an einem (nicht „dem“!) öffentlichen Diskurs reicht eigentlich aus.
Der „öffentliche Diskurs“ ist dabei durch Repräsentaten des öffentlichen Raums besetzt bzw. belegt. Das kommt in dem „Standard“-Artikel gut heraus. Leider ist dieser Diskurs oftmals nur noch Reflex statt Reflexion (aus dem Artikel „geklaut“), was im intimen/privaten Diskurs zur Radikalisierung oder Abwendung vom gegenstand führt. In der Ausdehnung des öffentlichen Diskursraums jenseits der „üblichen Verdächtigen“ liegt übrigens eine grosse Möglichkeit des Internet. Aber auch hier werden Diskurse inzwischen arg affektgesteuert behandelt. Pro und Contra gibt es eher selten; die Lagerbildung ist hier sehr frappierend.
Danke. Richtig, es ist gar nicht einfach: Höflichkeit im Diskurs bedeutet beständig zwischen beiden Polen zu oszillieren, ohne ein Extrem zu berühren. Es scheint mir, als ob Höflichkeit mit Offenheit und Bereitschaft den eigenen Standpunkt in Frage zu stellen, korreliert.
Er muss, wenn er seine Stimme mit Bedacht vergeben will.
Die Möglichkeiten des Netzes schätze ich ähnlich ein, aber wie viele andere Medien auch, kann man es auf unterschiedlichste Weise nutzen.
Wie wird man zum Repräsentanten? Durch die Medien, das heißt Bekanntheit. Eigentlich seltsam: Die Medien die den Diskurs vermitteln, bestimmen ihn hinsichtlich der Auswahl der Sprecher. „Gewaltentrennung“ ist das keine…
Das ist natürlich keine Gewaltentrennung – eher „Spezlwirtschaft“. (Wobei der Zufall sicherlich auch eine gewisse Rolle spielt.)
Daher die Taktik der klassischen Diskutanten die Diskurse in der Öffentlichkeit per se zu diskreditieren. Was tatsächlich nicht schwer ist.
Was tun dagegen? … aber vielleicht machen wir tatsächlich den Fehler und nehmen lenkende Kräfte an, wo diese wesentlich weniger ausgeprägt vorhanden sind (Zufall, wie Du schon festgestellt hast)?
Als Ergänzung, oder besser Kontrapunkt:
Es mache aber keinen Sinn, wenn Glawischnig zu rappen anfängt oder Faymann in die Disco geht, das wäre nicht glaubwürdig. Heinzlmaier meint, dass Politiker mehr Lebensstil in den Vordergrund bringen müssten, Sport, Musik, Kunst. „Im Zentrum der Politik kann nicht nur der inhaltliche Diskurs stehen“ , sagt Heinzlmaier. „Mindestens genauso wichtig ist die formale Gestaltung der Kommunikation.“ Politische Kommunikation dürfe nicht nur auf rationale Argumente setzen, der symbolischen Kommunikation müsse größerer Raum gegeben werden. Im Umgang mit Jugendlichen hieße das, den Bildanteil in der Kommunikation auszuweiten, die nonverbalen Aspekte stärker zu beachten und Personen stärker in den Vordergrund zu stellen – allerdings die richtigen. Heinzlmaier: „Eine Partei mit hässlichen, alten Leuten wird nicht wahrgenommen.“ (Quelle)
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rubbish talk makes lot of rubbish
Absolut Super Artikel, dies wollte ich schon Mal ausdrucken, wusste aber niemals wie ich dies ausdrucken kann :-) !