Ein Mädel, knapp über dreißig, kraftvoll, hübsch und klug, biss sich in meinem Unterarm fest: Wie ein Hund, der um seinen Knochen bangte, presste sie ihn mit beiden Händen auf die marmorne Plattes des Tisches. Er war bewegungslos, nur der Schmerz jagte wie irr hin und her: Ich sah sie an, flehte im Stillen und bemerkte einen Tropfen Blut, der zwischen ihren elfenbeinfarbenen Zähnen hervorquoll und meinen Arm im Zickzack, zwischen den Haaren hinunter lief; dann schielte ich auf die Uhren an der blaugrau gemusterten Wand des Kaffees: Tokio, New York, Sydney, egal welche ich fragte, die Zeit blieb ein Strudelteig, träge und zäh: Noch eine Minute, mindestens. Ich biss die Zähne zusammen, als sie den Druck erhöhte, die ihrigen waren gesund und steckten in mächtigen Kiefern … eine Träne, dann verschwammen die Uhren und ich schloss meine Augen: Gefühlte 45 Sekunden. Noch. Ich war einer Ohnmacht nahe und tastete mit der freien Hand nach meiner Tasse, aber fand bloß ein Päckchen Zucker: Ich begann es rhythmisch über die Tischkante zu schlagen: Eins, zwei, drei, und konzentrierte mich auf das Rascheln und Knacken, aber es brachte keine Linderung: Meine Finger zitterten und krampften; ich fühlte ihre Zunge an den Rändern meiner Wunde: Abscheuliche! Wie lange noch? Kein Laut, sagte ich zu mir, halt einfach die Fresse! Dann öffnete ich meine Augen, sah mitten in die ihren, und fühlte den Druck ihrer Zähne zärtlich-langsam ins Unmenschliche wachsen: Welch lustvolle Wildheit! Manch einer hätte mich beneidet: Wieder eine Träne, und wieder … mein Mund öffnete sich langsam, und als meine Widerstandskraft erlahmte ging alles ganz schnell: Ich riss mich los, trommelte mit meinen Fäusten wie toll auf den Tisch, und schrie vor Erleichterung und Schmerz … man sah uns an, schüttelte Köpfe und lief mit besorgtem Blick irr auf und ab. Aber da wir uns nicht kümmerten, verlor sich ihr Interesse.
Sie lachte, leckte einen Tropfen Blut von den Lippen und strich ihn über ihre Schneidezähne: Besser als ich dachte: Nur acht Sekunden! Dann klopfte sie lange gegen ihr Gaumendach: Scheiße, du schmeckst echt gut!
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Lieber mete, ich finde diesen Text sehr gut. Keine Ahnung, was er bedeutet, aber es ist reiner metepsilonema, scheint mir. Keine Makulatur. Nur Dein Frauenbild ängstigt mich.
Interessanterweise sind die nicht ungeteilt Deiner Meinung (wie ich gerade erfahren habe) — letztlich ist ihre Sicht die wichtigere. Oder?
Wer, die?
Nicht jeder Leser schreibt einen Kommentar, ich erhalte manchmal Rückmeldungen in anderer Form/über andere Medien.
Darf man fragen, welche Art von Medien Du da im Auge hast?
Vielleicht war Medium nicht das richtig Wort: Ich meinte mein Handy. Manchmal kommt auch etwas per mail.
Es gibt Leute, die Dich anrufen, um Dir zu sagen, wie sie Deine Texte finden? Ich werde jetzt mal ein paar Tage Blogpause machen.
Dann halt ich auch mal die Fresse. Zipp.
Jeden Tag zwei Dutzend … aber ernsthaft: Von einem Anruf habe ich nichts gesagt, es war eine SMS (passiert sehr selten).
Diejenigen, die ich in Fleisch und Blut kenne, sagen mir das meist persönlich (auch das geschieht nicht übermäßig häufig).
Danke. Ja, ich glaube auch dass es reiner metepsilonema ist. Was er bedeutet? Du hast da ein sehr treffendes Zitat von Alexander Kluge auf Deinem Blog:
Adorno empfiehlt, wenn man literarische Texte schreibt, diese Texte blind zu halten. Wenn man die Texte vorher kennt oder selber zu früh versteht, werden es keine guten Texte, sagt er. Es ist eine gewisse Blindheit erforderlich, auch sich selbst gegenüber. Das Herz spricht blind.
(Über Deinen letzten Satz musste ich lachen – sehr laut.)