Unser Urvertrauen hängt an der Maschine, so weit, dass wir uns mit keinem anderen Bewusstsein mehr zufrieden geben wollen, als dem der Ebenbildlichkeit. Das ist die kühne Hypothese, die durch ihre ausbleibende Falsifizierung zu unserer größten Hoffnung wird.
Unser Vertrauen konstituiert sich in den Lichtkegeln der Autobusse, der U-Bahngarnituren und Schnellverbindungszüge, die den an Haltestellen und Steigen der U-Bahnröhren nutzlos Wartenden von seinen Qualen befreien und zugleich einladen ein Stück weit mitzukommen.
Die knapp bemessenen Sitze, das Geländer aus orangenem Kunststoff, die Haltegriffe und die gelb-grüne Leuchtanzeige, machen es allen recht, wir reiben uns die Hände, nehmen Platz und lauschen einer immer gleichen, ruhig-gemessenen Stimme. Das Vertrauen bleibt nicht nur, es festigt sich während der Fahrt und es wäre noch größer, noch umfassender, wenn Bus und Bahn ihren Weg ohne Fahrer fänden.
Wie lange ist man unterwegs? Wohin? Und warum? Diese Fragen haben ihre Brisanz verloren, wir gleiten vorbei, an Passanten, Schaufenstern und Leuchtreklamen: Bequem lässt sich einen ebenfalls bequeme Welt betrachten. Und trotz aller Beweglichkeit, findet der Fahrgast in den Manövern des Busses und der Beschleunigung der Bahn eine Ruhe, die ihm ein selten gewordenes Gut ist. Er betrachtet die grau strukturierte Verschalung des Tunnels und lauscht dem metallischen Schürfen, dem Brummen und Quietschen der Räder und Reifen, und wie beeindruckend sich die Kraft der Maschine im Gesamtklang, anschwellend und absteigend, aber niemals ersterbend, bemerkbar macht: Er fühlt sich aufgehoben, wohl und sicher. Ich komme an mein Ziel, wo auch immer es ist.
Und die Ruhe begleitet ihn noch ein Stück, während er die letzten Meter zu Fuß zurücklegt, und sie verlässt ihn erst, als er den Schlüssel ins Schloss steckt und seine noch dunkle Wohnung betritt.
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Wäre klasse, wenn mehr Leute sich zur Ruhe im öffentlichen Nahverkehr bekennen würden. Momentan sehe ich zuviele MP3-Handy-IPad-Ebook-Reader-Leute, die wegen Langeweile aus der Gegenwart fliehen.
Die Flucht aus der Gegenwart ist abhängig von der Perspektive, die man einnimmt: Ein Tagträumer driftet für den Außenstehenden natürlich aus dem Jetzt, aber er selbst wird das Gegenteil behaupten: Sein Traum ist seine Gegenwart, intensiv und konkret.
(Ich glaube, dass man auch selbst etwas zur Ruhe beitragen kann.)
Ich gestehe auch zu den „MP3-Handy-IPad-Ebook-Reader-Leuten“ zu gehören. Ich höre Radio-Podcasts (SWR2, DLR Kultur, DLF, etc). Der Grund ist einfach: Mir ist es einfach im öffentlichen Nahverkehr zu laut. Ein Buch kann man auch bei trockenem Wetter (der Schirm kann dann zu Hause bleiben und stört nicht) nicht lesen. Das Gewummere der anderen, zum Teil hochgetunten MP3-Spieler ist zu laut. Das Mobilfunkgequatsche ist zu laut. Und zu banal. Die Gespräche der Fahrgäste will ich nicht hören. Der U-Bahn-Tunnel bietet keine Aussicht. Was bleibt also?
Mit dem Hören unterwegs konnte ich mich nie anfreunden. Ich habe dann begonnen zu lesen, meistens in der Zeitung, habe das aber irgendwann als zwanghaft empfunden, und tue jetzt einfach nichts und warte: Ich sehe den Leuten zu oder aus dem Fenster. Oft stellen sich dann Ideen und Einfälle ein und ich muss muss sie nur noch notieren.
Die Grundidee des Textes oben geht entstand auch während einer Autobusfahrt.
Ich gehöre auch öfter zu der Stöpsel-im-Ohr-Fraktion. –
Der erste Satz allerdings weckt bei mir schon Widerspruch, bzw. bleibt er mir teilweise dunkel: Was ist die Ebenbildlichkeit der Maschine (spiegelt sie uns oder unser Bewusstsein – geht es nur um die anthropomorphe Form)? – Und was ist die Verlässlichkeit, wem Vertrauen wir? (Von uns designtem – wir sind doch Demiurgen, das wird kein intelligent sondern defective design…)
Gibt es nicht auch das Urmisstrauen gegen das Aseptische des Maschinenparks, gegen den Terminator? (Und speist sich nicht ein Großteil der Faszination für KI und Neurowissenschaft aus diesem Unbehagen?)
Das Bewusstsein ist, dass wir selbst nichts anderes als Maschinen sind (wir wollen uns als solche verstehen, sehen oder tun als ob).
Naja, provokant gefragt: Wo sind wir denn noch etwas ohne Maschinen oder deren Hilfe (besonders im Alltag)? Und man könnte es auch dahingehend lesen, dass wir uns zu Maschinen machen, weil wir ähnliches von uns verlangen (nämlich zu funktionieren).
Natürlich gibt es ein Urmisstrauen und wer weiß, vielleicht wollte ich gerade das herausfordern.