Objektivität:

Ein Standpunkt jenseits aller Standpunkte.

27 Antworten zu “Objektivität:

    • metepsilonema 29. November 2012 um 8:20 pm

      Doch, aber ein unerreichbarer, etwas das man sich vorzustellen versuchen kann und mit einem Wort bezeichnet, das man gewohnt ist, ein neutraler Standpunkt; vielleicht entfernt mit den Problemen vergleichbar, die man bekommt, wenn man über etwas spricht, das — per definitionem — die Sprache übersteigt (Gott, z.B.).

  1. lyriost 29. November 2012 um 9:41 pm

    Wenn ich mir Objektivität vorzustellen versuche, dann hat dies doch immer subjektiven Charakter. Nicht nur ist jeder Objektivierungsversuch meine ganz spezifische subjektive Art der Vorstellung von Objektivität, sondern vor allem die Entscheidung, von mir selbst und meinem Standpunkt absehen zu wollen, ist eine höchst subjektive. Warum sollte ich das tun? Aus moralischen Gründen? Um Gott zu spielen? Um mir selbst oder andern etwas vorzumachen? Wir alle sind voll von Ideen und Meinungen, die wir für selbstverständlich halten, die jedoch tatsächlich kulturell gewachsen sind und aus der Perspektive einer denkbaren anderen Kultur als banal oder absurd betrachtet werden können. Dazu gehört auch die Idee der Objektivität, an die ich nicht glaube.

    • metepsilonema 2. Dezember 2012 um 9:39 pm

      Wenn ich Objektivität konkret und hinsichtlich einer Angelegenheit inhaltlich formuliere bekommt sie immer eine gewisse subjektive Schlagseite, deswegen kann ich mir Objektivität, abstrakt als jenseits aller Subjektivität angesiedelt vorstellen und ich denke, dass das auch die meisten anderen tun können, ich sehe da keinerlei Probleme.

      Ob jemand etwas von Objektivität hält, an sie glaubt oder nicht, ist seines Angelegenheit, das hatte ich nicht einmal thematisiert (wenn allerdings die praktisch-technischen Dinge des Alltags nicht mehr wie gewohnt funktionieren, jammern doch die meisten).

      • lyriost 3. Dezember 2012 um 9:57 am

        Gemeinhin thematisiert man implizit viel mehr, als man denkt, und es ist Aufgabe des Gegenübers, dies deutlich zu machen: Wenn jemand sich Objektivität „als jenseits aller Subjektivität angesiedelt vorstellen“ kann, dann glaubt er an Objektivität, ob ihm das nun klar ist oder nicht. Aber wo könnte die Idee der Objektivität anders „angesiedelt“ sein als im Erkenntnisvermögen des Subjekts?

        „Wenn ich Objektivität … formuliere, bekommt sie eine … subjektive Schlagseite, deswegen (wegen der subjektiven Schlagseite?) kann ich mir Objektivität, abstrakt als jenseits aller Subjektivität angesiedelt vorstellen …“ Ich nicht, denn Vorstellung setzt ein vorstellendes Subjekt voraus, und zwar eines mit all seinen subjektiven Färbungen und Dellen.

        Jenseits aller Subjektivität kann ich mir gar nichts vorstellen, denn jenseits aller Subjektivität gibt es kein Vorstellungsvermögen. Ohne Vorstellungsvermögen sehe ich jedoch keine Möglichkeit, mir etwas, und sei es noch so abstrakt, vorzustellen, und was „die meisten anderen“ tun oder nicht tun mögen, muß mich das interessieren? Auf jeden Fall ist das als Argument zu dünn, um relevant zu sein.

        • metepsilonema 5. Dezember 2012 um 5:13 pm

          Ich bitte Unterstellungen (den Glauben an Objektivität) in Zukunft zu unterlassen, es zeugt nur davon, dass Sie nicht bereit sind, sich die Mühe zu machen und zuvor nachzusehen, was ich zu diesem Thema bereits ausführlich geschrieben habe (man muss das nicht, aber andernfalls sollte man auch auf solche Äußerungen verzichten).

          Sie müssen sich nichts jenseits der Subjektivität vorstellen, nur: Dass es dort liegt. Oder: Liegen könnte. Übrigens zeigt der Satz „Jenseits aller Subjektivität kann ich mir gar nichts vorstellen […]“, dass Sie den Gedanken, dass jenseits des Subjektiven etwas sein könnte, sehr wohl zu denken im Stande sind (sonst wäre die Verneinung sinnlos).

          • phorkyas 6. Dezember 2012 um 10:55 pm

            Da ist ja mal wieder eine vollkommen metepsilonematische Diskussion.
            Hinsichtlich eures Zwistes würde ich dir insofern rechtgeben, als da in deinem Satz nix Affirmatives zur Objektivität steht (wiewohl man das eben erahnen könnte, dass da ein Appell herausgehört werden könnte die individuellen, beschränkten Standpunkte zu überwinden.) Andrererseits fordert dein Satz ja schon wieder eine Umkehrung heraus: ich dachte, dass Objektive sei gerade der Schnittpunkt, der kleinste gemeinsame Nenner auf den alle sich Standpunkte sich gerade noch verständigen könnten (falls existent):

            • tafkab 7. Dezember 2012 um 1:04 pm

              Der eigentliche Konflikt scheint mir darin zu bestehen, dass ein Autor von zweien auf die unerschütterliche Standpünktlichkeit seiner Ansichten großen Wert legt, der andere eine solche eher zurückzuweisen geneigt scheint — zugunsten selbst einer so unsicheren Sache wie … der Objektivität.

  2. lyriost 7. Dezember 2012 um 10:26 am

    Daß ich Ihnen etwas unterstellte, ist ja nun ebenfalls eine Unterstellung. Sie haben gesagt, Objektivität sei „ein Standpunkt“; also glauben sie an sie, halten sie für möglich, denn wenn nicht, dann wäre diese ihre Aussage unsinnig oder zumindest merkwürdig. Glauben heißt nicht wissen. Wüßten Sie, daß es so etwas wie Objektivität gibt oder auch nur geben könnte, dann wären Sie in der Lage, mir deren Ort und deren Bedingungen zu nennen und mir zu zeigen, wer unter welchen Bedingungen zu einem objektiven Urteil in der Lage sein könnte.

    Daß ich nicht bereit wäre zu lesen, was Sie zu „diesem Thema bereits ausführlich geschrieben“ haben, mein Gott, was soll ich dazu sagen? Haben Sie gelesen, was ICH zu „diesem Thema bereits ausführlich geschrieben“ habe? Na, sehen Sie. Man muß nicht das Gesamtwerk eines Autors lesen, um berechtigt zu sein, einen einzelnen Satz von ihm kritisch zu hinterfragen.

    „Sie müssen sich … vorstellen …“ Sehen Sie, das ist so eine Eigensinnigkeit von mir, daß ich nichts zu müssen meine, was tatsächlich gar niemand kann, wenngleich mancher das nicht nur zu können glaubt – in der Hoffnung, das habe was zu bedeuten: sich vorzustellen, daß etwas jenseits der Subjektivität „liegt“. Oder steht oder sitzt. „Das Ich setzt sich.“ Wie Fichte sagt. Sehr witzig, finde ich. Eine beweisbare Aussage darüber, ob es etwas „jenseits der Subjektivität“ gibt, ist nicht menschenmöglich, weil die Existenz von etwas jenseits des erkennenden Subjekts – unabhängig vom erkennenden Subjekt – schlicht unmöglich ist. Ohne Subjekt kein Objekt, oder wie Berkeley sagt: Esse est percipi. Das gilt auch für eventuelle Lagerstätten von Objektivität im subjektfreien Jenseits.

    Ich bin übrigens manches zu denken imstande, zum Beispiel, daß farblose grüne Ideen ruhig schlafen, aber das hat weniger mit meinem Denken zu tun, als vielmehr mit den Möglichkeiten der Sprache. Und beweist gar nichts.

    Wenn Sie erlauben, möchte ich noch etwas zum Diskussionsstil sagen. Ich habe das Gefühl, hier auf jemanden zu treffen, der eine eigene Meinung hat, diese kundtun möchte und sich freut, wenn andere ihn dabei unterstützen. Wenn das jedoch nicht oder in unzureichendem Maße geschieht, erscheint mir dieser Jemand für meinen Geschmack extrem überempfindlich, was nicht gerade die weitere Meinungsbildung fördert. Ich würde eine solche Haltung überdenken.

    • metepsilonema 9. Dezember 2012 um 11:35 pm

      Gehen wir das einmal durch:

      1. Wenn man davon ausgeht, dass jegliche rudimentäre Idee davon, was Objektivität sein könnte, nicht denkbar ist, dann ist der Begriff und seine Verwendung (und auch: Verneinung) sinnlos.

      2. Eine Begriffsdefinition sagt rein logisch nichts darüber aus, wie sich ihr Verfasser zu ihrem Inhalt (und damit ihr selbst) verhält. Jemand der zu definieren versucht was eine Menschenrechtsverletzung ist, steht dieser noch lange nicht positiv gegenüber.

      3. Jemand der die obige Definition verfasst hat, den treibt das Thema vielleicht um, womöglich hat er gar keine abschließende Meinung oder ihm ist die Definition einfach eingefallen, er würde sie gerne diskutieren und sie später vielleicht weiter verwenden…

      4. Wenn ich voraussetze, dass jemand nicht wider besseren Wissens Kommentare verfasst, und diese zeigen, dass er a) seine Behauptung nicht überprüft hat und sie b) einen logischen Fehler (s.o.) enthält, dann begeht er eine Unterstellung (ein Vorurteil), was nichts damit zu tun hat, dass widersprochen wurde, sondern damit, dass es ohne hinreichende Begründung geschah (und noch dazu einen persönlichen Bereich betraf). Und ja, ich bin in mancherlei Hinsicht etwas empfindlich, meine aber, dass ich das bei anderen voraussetzte, also meistens entsprechend vorsichtig bin (dass, das nicht immer klapp, gebe ich sofort zu). — Ergiebige Gespräche benötigen einen konstruktiven, vertrauensvollen Rahmen, deswegen spreche ich das an.

      5. Um wieder auf das Thema zurückzukommen: Ich sprach nicht von Wahrnehmung, sondern von der Idee, dass etwas außerhalb unserer Subjektivität stehen könnte (übrigens ist es kein Widerspruch, dass ein subjektiver Gedanke objektiv richtig sein kann, z.B. ich sitze an einem Tisch). Ich sehe einen zwingenden Dissens nur dann gegeben, wenn man Intersubjektivität nicht einmal im Ansatz als gegeben oder prinzipiell sinnlos ansehen wollte (allerdings lässt sich das schwierig begründen). Anscheinend sehen wir das in unserem alltäglichen Leben anders und interagieren und kommunizieren, weil wir uns etwas davon erhoffen und diese Hoffnung liegt vielleicht darin begründet, unserer Subjektivität nicht restlos verhaftet bleiben zu müssen.

      • lyriost 11. Dezember 2012 um 11:08 am

        Zu 1: Mit dem „Sinn“ verhält es sich ähnlich wie mit der Objektivität. Sinn ist etwas Subjektives. Das Wort ist bereits (subjektiv) gefüllt, bevor es (objektiv) erscheint.

        Zu 2/3: Welche Definition?

        Zu 4: Nach meiner Auffassung sind die meisten unserer angeblichen Urteile Vorurteile.

        Zu 5: Eine scheinbar von der Wahrnehmung losgelöste Idee ist ein graues spekulatives Modell, das selbst dennoch auf Wahrnehmung beruht, denn ohne Wahrnehmung ist alles nichts. Kein Gedanke ohne eine Vorstellung von etwas. Und diese Vorstellung ist in unserm Kopf, also subjektiv.

        Illustrierendes aus dem Bereich der Statistik, eine Ebene „tiefer“:

        „Illusion der Objektivität

        … indem wir den Daten eine Bedeutung geben, werden sie zum ‚Signal‘; alles andere ist Rauschen. ‚Zahlen können nicht für sich selbst sprechen‘, schreibt Silver. ‚Wir sprechen für sie. Wir laden sie mit Bedeutung auf.‘ Und im Gegensatz zu vielen Pressesprechern seines Fachs denkt er gar nicht daran, die Schwächen seines Fachs zu unterschlagen: ‚Wir können niemals perfekte objektive Vorhersagen machen. Sie werden immer von unserer subjektiven Sicht der Dinge geprägt sein.‘ Skepsis ist die erste Tugend …: Nur wer sich all der Voraussetzungen und Überzeugungen bewusst ist, die in seine Modelle eingehen, sagt Silver, kann zu brauchbaren Ergebnissen kommen.

        http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/zukunftsforscher-nate-silver-kopf-oder-zahl-11987087.html

        Schöne Grüße

        • metepsilonema 11. Dezember 2012 um 11:19 pm

          Wenn radikale Subjektivität Ihre epistemologische Prämisse ist, dann sollten Sie so konsequent sein und allgemeine Aussagen wie „Sinn ist etwas Subjektives“ vermeiden, sonst verletzten Sie diese.

          Noch einmal: Ein Gedanke kann theoretisch richtig (zutreffend, wahr, objektiv) sein, obwohl er in meinem Gehirn, also subjektiv entstanden ist. Erst wenn Intersubjektivität, Überprüfung und Kommunikation scheitern, kann man davon sprechen, dass etwas wie radikale Subjektivität im Sinn einer Monade oder eines Solipsismus existiert. Allerdings: Wann kann man von Gelingen, wann von Scheitern sprechen? Dabei bleibt zu beachten, dass Verstehen, Wahrheit, usw., graduell aufgefasst werden können, ja müssen.

          In diesem Sinn bleibt die Hoffnung es immer wieder zu versuchen, obwohl letztlich unser Scheitern wie unser Erfolg ungewiss, das heißt unbestimmbar, bleiben. Ist das nicht etwas ähnliches, was wir in der mittlerweile langen Abfolge von Kommentaren getan haben? Und falls ja, bedeutet das nicht, dass die Behauptung der alles umfassenden Subjektivität gar nicht so ernst gemeint war oder zumindest realiter nicht praktiziert wird? [In diesem Sinn habe und hätte ich auch zuvor nichts gegen Ihr Zitat einzuwenden (gehabt).]

          Mit Definition war der Ausgangstext(-satz) oben gemeint.

          • lyriost 12. Dezember 2012 um 10:13 am

            Sie verstehen mich falsch, wenn Sie davon ausgehen, Subjektivität sei meine erkenntnistheoretische Prämisse, dazu noch eine „radikale“. Tatsächlich ist es so, daß ich jede „epistemologische Prämisse“ als eine subjektive betrachte, daß es folglich keine objektiven Prämissen geben kann, weil es immer Subjekte sind, die fühlen, denken, Sprache und Begriffe generieren und Prämissen und Theorien.

            Wenn ich den Begriff „Sinn“ benutze – und zwar im Gegensatz zum allgemeinen Gebrauch, der seinen Ursprung unkritisch ins metaphysische Wolkenkuckucksheim à la Weltgeist, Entelechie, Gott oder dergleichen verlegt –, dann mit dem nötigen skeptischen Ernst, der es nicht erlaubt, diesem Begriff mehr als lebenspragmatische Relevanz zuzugestehen. Deshalb verletze ich gar nichts, wenn ich entideologisierend über „Sinn“ als subjektives Konzept spreche. Und sprachkritisch. Ist ihnen bewußt, daß bereits ein Bedeutungskonzept, und zwar ein subjektives, vorhanden war, als jemand das Wort „Sinn“ erfand? Und daß damit und mit allen anderen späteren Aufladungen diesem „Sinn“ und seinen Ausprägungen jede „objektive Realität“ abgeht?

            Gerade weil „Wahrheit“ von den meisten nicht „graduell aufgefaßt“ wird, scheitert Kommunikation, selbst dann, wenn man sich vorübergehend schulterklopfend gegenübersteht.

            Per definitionem ist ihr paradoxer Satz keine Definition, sondern ein Diktum, es sei denn, man betrachtet die Überschrift als Teil des Satzes; dann jedoch müßte das „Ein“ kleingeschrieben werden, wenn man Mißverständnisse vermeiden möchte. Die Großschreibung trennt die Aussage, zusätzlich zur graphischen Differenz, von der Überschrift. Ob „Ein Standpunkt jenseits aller Standpunkte.“ ein „Satz“ ist, darüber streiten die verschiedenen linguistischen Schulen mit Vehemenz.

            Aber das nur am Rande.

            Schöne Grüße
            Lyriost

            • tbfkab 12. Dezember 2012 um 12:23 pm

              Ganz vorsichtig nachgefragt (ohne dass gleich mit dem Eimer auf mich tiradiert wird, bitte): Ist diese Auffassung von Subjektivität nicht etwas arg monolithisch? Ist denn MEIN Standpunkt wirklich MEIN Standpunkt? Und bin ich, wenn ich einräume, dass MEIN Standpunkt womöglich der Standpunkt beispielsweise meines Vaters ist oder meines Erziehers oder meiner Partei oder der über alles geliebten Mutter — stehe ich dann nicht wirklich auf einem Standpunkt jenseits meines Standpunktes, also, mete zufolge, in der schieren Objektivität? Also in der Objektivität eines Unheils, das darin besteht, dass ich als das Meinige ausgebe, was mir nie gehört hat und nie gehören wird, worein ich mich nur geflüchtet habe aus dem sicheren Gefühl heraus, dass die Subjektivität als reine einfach nicht zu machen, nicht zu ertragen ist? Und gilt das nicht sogar dann, wenn mein Standpunkt nur zu, sagen wir, 32 Prozent fremdbeeinflusst ist? Dann wäre ich doch 33-prozentig objektiv, kann man das nicht so sagen? Ich finde, in dem Sinne des obigen Kommentars verwendet, steht die Subjektivität der Wahrheit in Sachen Verabsolutierung in nichts nach!

              • lyriost 12. Dezember 2012 um 2:40 pm

                Es geht doch hier vorrangig nicht um Fremdbeeinflussung, nicht um meine Subjektivität versus die eines andern, sondern um Subjektivität versus Objektivität (als etwas jenseits des Subjektiven). Diese Objektivität ist ohne ein Subjekt nicht denkbar. Zu 100 Prozent. Von einem Bild, das niemand sieht, kann nicht gesagt werden, ob es existiert und ob es ein Bild ist. Wenn aber doch einer da ist, der es sieht, dann ist dessen Sicht auf das Bild eine Sicht im Rahmen seiner Wahrnehmungsmöglichkeiten, so daß über ein „objektives“, außerhalb einer subjektiven Wahrnehmung existierendes Bild keine verläßliche Aussage gemacht werden kann.

                • tbfkab 12. Dezember 2012 um 3:27 pm

                  Was ist aber, wenn ich sage: „Ich sehe ein Bild, lieber Herr Lyriost, das sieht so und so aus.“ Und Sie sagen: „Wo? So ein Bild seh ich nirgends.“ Und ich male es Ihnen auf, wie es mir vor dem geistigen Auge gestanden hat. Hat es dann vorher nicht existiert? Und können Sie dann, weil Sie es vorher ja auch nicht gesehen haben, das gemalte Bild dann auch nicht sehen? Sonst wäre es ja vom subjektiven in den objektiven Modus gewechselt, oder? Und Sie müssten einräumen: „Das stimmt, mein lieber tbfkab, Sie haben mich überzeugt; es gibt eine Welt des Objektiven.“

                  • lyriost 12. Dezember 2012 um 3:31 pm

                    Tirade 194 – Im Objektiv

                    Nicht grau nicht Farbe
                    beim Sehen ohne Augen
                    ohne Ohr kein Ton

                    keine sengende Sonne
                    keine Gedanken im Stein

                    • tbfkab 12. Dezember 2012 um 3:36 pm

                      Ist aber nicht dieses Gedicht auch eine Objektivierung? Jedenfalls hat es keine Augen, Farben nehme ich nur „grau“ wahr, Sonne und Gedanken: nicht in dem Gedicht.

                    • lyriost 12. Dezember 2012 um 3:48 pm

                      Noch kurz, dann muß ich zum Schneeschippen:

                      Dieses Gedicht ist ein Objekt für den Leser, jedoch kein Ausdruck einer wie auch immer gearteten Objektivität, sondern vielmehr Fingerabdruck eines Subjekts.

                      Ist das denn so schwer zu verstehen: Um ein Objektives jenseits alles Subjektiven zu postulieren, bedarf es eines postulierenden Subjekts, und damit haftet dem Postulat des Objektiven von vornherein Subjektives, Nicht-Objektives an, was bedeutet, daß ein reines Objektives „jenseits“ des Subjektiven ein Ding der Unmöglichkeit ist. Objektivität als (objektiver) Standpunkt jenseits aller (subjektiven) Standpunkte wäre ein Standpunkt jenseits seiner selbst. Ziemlich glitschiger Punkt.

                      Grüße
                      Lyriost

                    • tbfkab 12. Dezember 2012 um 3:53 pm

                      Natürlich verstehe ich Ihre Argumentation, finde sie auch aller Ehren wert. Nur versuche ich auch mete zu verstehen: Eine Fledermaus, die mir erklärt, es gäbe jenseits des mir wahrnehmbaren Farbenspektrums noch etwas, Ultraviolett, schwer zu erklären, wie das aussieht; und ich sage: „Für eine Fledermaus sind Sie ziemlich frech, meine Liebe!“ Subjekt und Objekt, will ich damit sagen, stehen für mich im Verdacht, unzulässige Hypostasierungen zu sein.

            • metepsilonema 12. Dezember 2012 um 9:54 pm

              Ich versuche es zum dritten Mal: Natürlich denken Subjekte, aber der Gedanke eines Subjekts kann objektiv(ierbar) sein, indem er zu einem Sachverhalt korrespondiert. Klar, wir operieren sprachlich, annäherungsweise, mit Modellen, Wahrscheinlichkeiten und so fort, dennoch nehmen wir z.B. im Alltag, etwa in dieser Diskussion, an, dass es hilfreich, nützlich und möglich ist, über diese Welt, von der wir denken, dass sie unabhängig des Subjekts existiert, Aussagen zu machen und diese anderen mitzuteilen. Wir können, streng genommen, nie wissen wie gut und ob das funktioniert, aber wir tun es. Können Sie dem zustimmen?

              [Zu allem anderen später.]

              • lyriost 13. Dezember 2012 um 10:34 am

                Ich denke nicht, daß diese Welt unabhängig vom Subjekt existiert. Das wäre platter Materialismus. Aber egal, was ich denke, die Behauptung, diese Welt existiere unabhängig vom Subjekt, ist weder hinreichend plausibel noch beweisbar. Wir wissen nur, daß diese „Welt unsere Vorstellung“ ist.

                • metepsilonema 13. Dezember 2012 um 8:36 pm

                  Ontologischer Realismus, aber egal (der Materialismus ist schon lange tot).

                  Wenn wir etwas wissen, dann, dass eine Weil in unserer Vorstellung ist, ob die Welt nur die Vorstellung ist, also das Subjekt sie völlig erschafft oder nur teilweise, kann nicht bewiesen, aber auch nicht widerlegt werden. Ein interessanter Einwand gegen die Erschaffung der Welt durch das Subjekt, ist die Existenz von subjektivem Leid (warum sollte man sich selbst quälen?).

                  Ihr Satz „Ich denke nicht, daß diese Welt unabhängig vom Subjekt existiert“ entspricht übrigens dem was ich mit der radikalen Subjektivität als erkenntnistheoretischer Prämisse meinte.

                  [Zur Definition: Ich schrieb oben ja „Text“ und „Satz“ nur in Klammern, ansonsten darf es jeder nennen wie er will — ich finde Diktum gar nicht unpassend.]

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