Kohlezeichnungen

Meine Hoffnung ist, dass diese Zeichnungen durch sich selbst wirken, so ein Betrachter sie auch anzusehen versteht; jegliche Kommentierung im Voraus, seien es Erklärungen, Schilderungen persönlicher Motive oder Erläuterungen des Herstellungsprozesses, sind gegenstandslos, ja sie beschädigen mehr als sie irgendjemandem nutzen. Stattdessen findet sich im Anschluss ein kurzer Text, eine Art „Wesensbestimmung“, in dem ich — obwohl der Problematik aller derartigen Unterfangen eingedenk — einige objektive und subjektive Momente, wie sie der Zeichnung gemeinhin zugeschrieben werden und sie mir beim Zeichnen offensichtlich wurden und werden, zusammenzuführen versuche.

Als Zeichenmaterial findet ungefasste Weidenkohle (Stärke zwischen 4-12 mm) Verwendung, daneben Knetgummi, Fixiermittel und Papier in unterschiedlichen Formaten (meist A4, selten 30 x 30 cm oder A3) und wechselnder Qualität (Masse: 80, 120 oder 170 g/m²). Gezeichnet wird auf dem Tisch oder auf einer Staffelei.

Ich habe die Qualität der Bilder absichtlich nicht an irgendwelche Überlegungen zu Ladezeiten gekoppelt, sondern jene gewählt, die mir für sie als passend erscheint. Ich weiß dass ich dem Betrachter damit etwas Wartezeit aufbürde und ich baue darauf, dass er sie ertragen wird.

 

Des Nachts

Erscheinung

Nächtliche Jagd

Traum

In die Enge getrieben

Anthropologie

Kindheit

Der Wanderer über dem Nebelmeer

Vater und Sohn

Puppentheater

Ressource!

Marschkolonnen

Auch sie wurden erzogen

Na denn do! (Vom Zeigen)

Laternenfest

Hinweis: Die digitalisierten Zeichnungen dürfen unter Angabe der Quelle zitiert oder unverändert abgebildet werden.
Ich bitte um eine kurze Benachrichtigung, falls das geschieht.

(Zum Vergrößern auf die Vorschaubilder klicken.)

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Vom Wesen der Zeichnung

Wozu Farbe, wenn man ein Stück Kohle hat? Ein Satz, der alles Wesentliche in sich trägt und es zugleich wieder verwischt: Dass sich keine Begründung für Farbe, für auch nur einen einzigen farbigen Punkt in einer dieser Zeichnungen finden lässt, deutet auf das, was das Wesen der Zeichnung ausmacht, auf die Reduktion der Mittel, Linie statt Fläche und Tonwert statt Farbe. Und zugleich wäre diese Beschränkung nicht zu verstehen, wenn man nicht Richtung Ende, Richtung Abschluss hinsieht: Eine Zeichnung ist dann beendet, wenn ein Höchstmaß an Intensität erreicht ist, das von ihr als gesamte, nicht bloß von Teilen, ausgeht. Das bedeutet aber nicht: vollendet, denn ein Fragment kann intensiver als die ausgeführte Zeichnung wirken. Bis zu dem Moment an dem die Intensität zu wachsen beginnt, ist alles einfach: Entspannend, leicht, fließend und ohne Widerstand. Beginnt die Intensität zu strahlen, weiß man, dass sich der Abschluss anbahnt: Zu erreichen wäre der Punkt, an dem jede weitere Linie, alles zerstört. Erst wenn man diesen Gipfel überschreitet, beginnt der Widerstand, vielleicht auch eine Leere: Die Führung der Intuition bricht weg und man arbeitet gegen sich selbst, gegen das was sich zeigen wollte und sich bislang gezeigt hat. Es wäre falsch zu sagen, dass es nur einen Gipfelpunkt, nur eine Möglichkeit gibt. Aber es gibt keine mehr, wenn man die eine überschreitet: Es gibt kein Zurück und es wäre, in der Tat, ein unverzeihlicher Fehler. Aber eigentlich kann man diesen Punkt gar nicht übersehen, denn man hält die Intensität, die von der Zeichnung ausgeht, an eben jenem Punkt nicht lange aus: Man krümmt sich zusammen, als ob man einem grellen Licht entgegen sieht und man weiß nicht, ob es Erschöpfung ist oder etwas anderes. Doch bald wird klar, dass es ein momentaner, innerer Zustand von Leere ist, auf Grund dessen, man dem, was sich nun von außen her zeigt, nichts entgegenzusetzen hat und dass man das, was man aufnehmen muss, nicht verkraften kann. Nun braucht man Muße, Ruhe, Stille, damit alles weggleiten kann, was in der letzten Arbeitsspanne übergetreten ist: Nach einer halben, nach einer dreiviertel Stunde ist alles weg, aber die Zeichnung leuchtet immer noch.

Die Stärke der Zeichnung liegt nicht im Erzählen oder in einer szenischen Darstellung und sicher nicht in der Virtuosität: Sie erinnert an einen geronnenen über sich hinaus weisenden Augenblick, wie man ihn so oft, aber eben: vergänglich, unwiederbringlich, in den momentgebundenen Regungen menschlicher Gesichter, findet. Die Zeichnung ist, sie verweist, sie meint und zeigt, ganz wie der vor Spannung beinahe zerreißende Arm eines Kindes, dessen Finger auf das Unverhandelbare, das hervordringende Unbenennbare, deutet: Die Zeichnung als Existenziale.

 

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