Künstlerin

Nur noch signieren. Sie legte ihr Feuerzeug auf das Nachtkästchen, atmete ein, spitzte ihre Lippen und formte einen gleichmäßigen Strom von Luft. Mit Daumen und Zeigefinger hielt sie eine Stange Zimt: Sie drehte sie entlang der Längsachse und ihr glühendes Ende leuchtete hellgelb, wo es der Luftstrom berührte: Langsam bildete sich ein mehrere Millimeter dicker Ring von Glut, aber erst als ich meinen Widerstand aufgab und mich mit ihr verband, begegnete ich einer dunkel-lustvollen Erwartung, die die Idee wegzulaufen ebenso beiläufig gehen ließ, wie sie gekommen war … Sie nahm das Feuerzeug wieder zur Hand, korrigierte eine Unregelmäßigkeit, und blies über die Glut: Sie schloss ihre Augen, sog die Rauchfahne auf, öffnete sie wieder und drückte das Ende der Stange langsam und genussvoll auf meine Haut.

Sie kniete auf mir, neben mir, war überall: Langes, braunes Haar, und dunkle Augen voll Härte, Mitgefühl und Lust … ich biss die Zähne aufeinander und sog Luft durch Ritzen und Zwischenräume in meinen Mund. Ihr Druck ließ nach und das Brennen wanderte Richtung Brustbein: Wie gut man auf dir schreiben kann … nur die Initialen, keine Angst … Sie hatte links unterhalb ihrer Kollage angesetzt und den ersten Buchstaben rasch vollendet, aber dann hielt sie inne, nahm ihr Feuerzeug, brachte die Stange wieder zum Glühen und fügte ein „S“ hinzu. Wie schön. Sie lächelte, fixierte ihr Werk einige Sekunden lang und nahm die blaue Kerze vom Nachtkästchen: Halt still, ich muss…, flüsterte sie und drückte den oberen, warmen Rand der Kerze mit den Fingern der rechten Hand ein wenig ein … nachdem ein Tropfen auf meiner Brust gelandet war, begann sie das halbweiche Wachs zu kneten … sie kippte die Kerze stärker, weitere Tropfen fielen, trafen wie flächige Nadelstiche auf meine Haut, schneller und schneller … ich spürte den Druck ihrer Nägel und Finger und mit einem Mal war es vorbei. Fertig?

Sie fuhr durch mein Haar und begann meine Kopfhaut zu massieren … ich bemerkte eine Vielzahl brennender Stellen, auf- und abschwelende Feuer, die sich in die Tiefe erstreckten, unmöglich zu zählen, da sie weder Platz noch Gestalt wahrten … ich schloss die Augen, folgte ihnen, so gut ich konnte, wie jener Spur von Zärtlichkeit hinter den knetenden, auf- und abwärts gleitenden Fingerkuppen: Sie verschmolz mit Hitze und Schmerz, mein Kopf sank zurück, erleichtert, da sich die Widersprüche in einander fügten und durchdrangen … ihre Finger glitten über meine Arme bis zu den Händen, die Gelenke stachen, sie fuhr die Unterseite meiner Arme entlang und klopfte mehrmals sanft auf beide Seiten des Brustkorbs … eine lebendige LeinwandPergament, ergänzte ich … und meine Bilder werden lebendig! … Sie nahm ein Glas vom Nachtkästchen und öffnete es: Getrockneter und liebevoll gehechselter Ingwer … ein Löffel war genug, sie drückte meinen Kopf zurück, entzündete die Stückchen, die rasch glommen und schob sie in die Löcher meiner Nase; sie ergriff sie mit Daumen und Zeigefinger, umschloss die Löcher mit ihren Lippen und trieb die brennenden Dämpfe meine Nase hoch: Sie gruben sich in die Schleimhaut, wieder ein Brennen, ein anderes, ich musste nießen und hielt den Kampf nur für kurze Zeit aufrecht. Und morgen probieren wir Chili. Sie rieb die Handteller an einander, verschränkte ihre Finger, und klopfte Ballen gegen Ballen … aber wir sind noch nicht fertig! Sie begann mich wieder zu massieren, diesmal kraftvoller: Härte und Zärtlichkeit sprangen in einem fröhlichen Tanz durcheinander, Freunde, die erfüllen … ich werde dich ausstellen, in einer gläsernen Vitrine.

Währenddessen schielte sie auf ihr Werk: Noch immer nicht fertig, flüsterte sie beiläufig, hielt inne, nahm Zimtrinde und Feuerzeug, wog sie in ihrer Hand, warf sie dann aber zur Seite und rief: Etwas Anderes, Neues!, und ballte ihre Hand zur Faust. Sie griff in die Lade des Nachtkästchens, kramte herum, holte eine Sturmhaube hervor und zog sie mir über den Kopf: Damit du nicht schummelst. Dann löste sie eine Hand und riss mich herum … ihr rechtes Knie krachte in mein Kreuz und für einen Augenblick verschwand jede Empfindung: Ein stumpfer Schmerz breitete sich aus, kroch über Bauch und Rücken und verdrängte die verbliebenen Reste … Wenn du dich bewegst, gibt es Hiebe. Du bist doch ein Mann? Sie setzte sich auf mein Hinterteil, schlug mit den Handflächen auf meine Oberschenkel, dass es klatschte und wartete … die Stille fiel in sich zusammen, verdichtete sich, erhob sich wieder und füllte langsam den Raum … sie setzte ihre Fingerknochen neben meiner Wirbelsäule auf und drückte den Daumennagel abwärts bis er die Haut ritzte und Blut zu fließen begann: So langsam wie möglich schnitt sie wie mit einer Klinge in meine Haut … in die Stille hinein, floss mein Schmerz, für sich existierend und sich selbst erfahrend … ich biss in den Polster und Tränen traten in meine Augen: Warte, wir brauchen doch noch Chili … und Salz! Die Matratze vibrierte: Meine Muskeln verloren ihre Spannung, ich fiel, versank, und als sie wieder kam lief Musik und eine goldkehlige Stimme sang: Und ewig wird der Himmel brennen … Sie sprang auf das Bett und diesmal traf mich ihr linkes Knie: Entschuldige!

3 Antworten zu “Künstlerin

  1. Köppnick 11. August 2011 um 11:05 pm

    Schöner Text, nach autobiografischen Bezügen darf man ja nicht fragen, haben wir bei MvA gelernt. ;-)

    Darf ich ein paar Schreibfehler anmeckern?

    „aber erst als ich meinen Widerstand aufgab und mit ihr verband“
    Die Grammatik (und damit den Sinn) verstehe ich nicht, vielleicht fehlt ein „mich“?

    „die Gelenkte stachen“
    Sicher die Gelenke!?

    „ich biss in den Polster“
    Heißt es bei euch „der Polster“ oder „das Polster“?

    „Wachs zu kneten … sie kippte die Kerze stärker“
    Meiner Meinung nach verbinden hier die drei Punkte zwei Sätze, deshalb müsste „sie“ groß geschrieben werden. Das findet man noch an einigen anderen Stellen.

    „Dann löste sie eine Hand, und riss mich herum“
    Meiner Meinung nach kommt hier kein Komma hinein. Es sind zwei Hauptsätze, die da durch „und“ verbunden werden. Das hast du sehr häufig so geschrieben.

    „in die Stille hinein, floss mein Schmerz“
    Auch hier kommt kein Komma hinein, weil es nur ein umgestellter Satz ist: „Mein Schmerz floss in die Stille hinein.“

    „ich fiel, versank und als sie wieder kam lief Musik, und eine goldkehlige Stimme sang“
    Hier würde ich nach „versank“ ein Komma setzen und nach „Musik“ keins. Wenn man sich da nicht sicher ist, könnte man auch Folgendes probieren: „Ich fiel und versank. Und als sie…“

    Bei solchen Texten vermisse ich Nensch, MvA, WW und DHK.

    • metepsilonema 15. August 2011 um 6:31 pm

      Danke. Und entschuldige bitte die späte Antwort, ich war ein paar Tage ohne Netz.

      Du darfst natürlich nach autobiographischen Zügen fragen, sie sind nur für das Verständnis des/eines Textes entbehrlich. Wenn mir ein Text etwas sagt, vermittelt, er schön oder gut, etc. ist, dann hängt das nicht davon ab, ob ich weiß, was der Autor nun erfunden oder erlebt hat. Nur soviel: Das was hier steht ist zur Gänze erfunden, auch wenn es „Anstöße“ oder Bezüge zur Realität gibt.

      Zu den Schreibfehlern etwas später (Kommata setzte ich manchmal, weil ich den Eindruck habe, dass sie dort rhythmisch hingehören, „passen“, sozusagen aus melodischen Gründen — grammatikalisch ist das natürlich nicht korrekt). Und manchmal nehme ich mir kleine Freiheiten heraus, wenn ich glaube, dass es für den Text wichtig ist.

      Ich vermisse Nensch nicht, auch wenn es eine schöne Zeit war, und ich mich wohl wieder an so einem Projekt beteiligen würde — die Welt der Blogs ist anders, aber auch wertvoll, reich, …

    • metepsilonema 16. August 2011 um 6:05 pm

      Danke für die Hinweise. Die offensichtlichen Fehler habe ich korrigiert, die meisten Kommata vor „und“ entfernt (wie gesagt ich setzte sie manchmal rhythmisch und häufig auch zu oft — das ist während des Schreibens nicht immer so offensichtlich wie nachher).

      Das „mich“ habe ich eingefügt.

      Ja, wir sagen „der Polster“.

      Die Großschreibung nach diversen „…“-Stellen muss ich leider verweigern, sie stört mich optisch und den Lesefluss.

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